Die Deutschen haben kein großes Interesse an einer Existenzgründung – zu diesem Schluss kam eine Studie aus dem Jahr 2014. Damals wollte das US-amerikanische Direktvertrieb-Unternehmen Amway erfahren, wie groß die Bereitschaft zu gründen in 24 verschiedenen Ländern ist. Das ernüchternde Ergebnis: In Deutschland kann es sich nur jeder vierte Bürger vorstellen, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. In anderen Ländern, beispielsweise Australien, den USA oder auch den Niederlanden ist die Bereitschaft wesentlich höher. Hier liegt sie bei 40 bis 50 Prozent. Doch woran liegt es, dass die Deutschen so „gründer-faul“ sind?
Der Beitrag im Überblick
Der Wunsch nach Perfektionismus
Der bürokratische Spießrutenlauf
Das Schreckgespenst Selbstständigkeit
Die Angst vor dem Scheitern
Es sind selten wirtschaftliche Faktoren, die die Mehrheit der Deutschen davon abhält, ein eigenes Business zu gründen. Auch wenn Wirtschafts- und Finanzkrisen die Unsicherheit zusätzlich bestärken, ist es in erster Linie die Angst vor dem Scheitern, die viele Menschen ausbremst und dazu führt, dass sie doch lieber den sicheren Weg des Angestelltenverhältnisses suchen.
In Deutschland spielt der Aspekt Sicherheit eine extrem große Rolle. Was ist, wenn die Einnahmen ausbleiben? Wenn sich die Geschäftsidee doch als schlecht herausstellt? Fragen wie diese verunsichern nicht nur extrem, sondern halten viele davon ab, den entscheidenden Schritt zu gehen. Scheitern ist gesellschaftlich nicht anerkannt. Misserfolge und Niederlagen werden als Schwächen gewertet, die es zu vermeiden gilt – zumindest hier in Deutschland.
In anderen Ländern ist eine ganz andere Mentalität zu verzeichnen. In den USA beispielsweise gehört es scheinbar zum „guten Ton“, ein Unternehmen zu gründen, dieses „vor den Baum zu fahren“ und daraus zu lernen. Getreu dem Motto „Think big“ wird hier im Akkord gegründet. Angst vor dem Scheitern? So etwas kennen nur die wenigsten. Stattdessen wird alles auf eine Karte gesetzt und ausprobiert. Schließlich ist noch kein Meister vom Himmel gefallen und Fehler sind da, um daraus zu lernen.
Interessant ist außerdem auch, wie unterschiedlich die Definition von „Sicherheit“ in den verschiedenen Ländern ist. Während sich die Mehrheit der potentiellen Gründer hierzulande eine finanzielle Unterstützung vom Staat wünscht, legt man den Fokus in Frankreich und den USA verstärkt auf einen entsprechenden Wissensstand, der optimal auf die Existenzgründung vorbereitet. In den USA lernen Schüler im Unterricht beispielsweise, wie ein Businessplan erstellt wird.
So bekämpfen Sie Ihre Angst vor dem Scheitern
Wer seine Angst vor Misserfolgen bekämpfen will, sollte in erster Linie seine Denk- und Sichtweise ändern. Wer scheitert, hat die Möglichkeit, daraus zu lernen und es im nächsten Versuch besser zu machen. Der weltberühmte Erfinder Thomas Edison hat hierzu folgendes gesagt: „Ich bin nie gescheitert. Ich habe nur 10.000 Wege gefunden, wie es nicht funktioniert.“ Klingt doch gleich viel besser, oder?
Auch der Autohersteller Henry Ford hat einst inspirierende Worte gefunden, die Ihnen zeigen, dass Scheitern nicht schlimm ist: „Ein Misserfolg ist lediglich die Möglichkeit, schlauer von Neuem zu beginnen.“
Der Wunsch nach Perfektionismus
Eng mit der Angst vor dem Scheitern verbunden ist der Wunsch nach Perfektionismus. „Wenn ich gründe, dann soll auch alles perfekt sein.“ Sätze wie diesen hört man immer wieder in der deutschen Gründerszene. Generell kann dieses Vorgehen natürlich nicht kritisiert werden. Wer perfekt sein will, bereitet sich umfassend vor und spielt noch vor der Gründung diverse Krisenszenarien durch. Doch genau hierin kann auch das Problem gesehen werden: Wer ewig in den Vorbereitungen hängt, hat eine Ausrede gefunden, die rechtfertigt, warum nicht endlich gegründet wird. Mit anderen Worten: Der Perfektionismus bremst uns aus und verleitet dazu, uns hinter dem Schutzschild der „Vorbereitung“ zu verstecken.
Der bürokratische Spießrutenlauf
Doch nicht nur der eigene Perfektionismus, sondern auch externe Punkte können dafür sorgen, dass der Gründungsprozess immer wieder ins Stocken und schließlich auch ins Wanken gerät. An dieser Stelle sei nur kurz auf den bürokratischen Spießrutenlauf, den Sie als Gründer sicher nur allzu gut kennen. Die „gute“ Nachricht: Deutschland ist nicht das einzige Land, das mit diversen Behörden, Institutionen und Ämtern kämpfen muss. Auch in vielen südeuropäischen Ländern sind die Hindernisse durch engstirnige Bürokratie groß.
Das Schreckgespenst Selbstständigkeit
Erst vor kurzem haben wir hier auf dem Bileicoblog mit einigen Mythen rund um die Selbstständigkeit aufgeräumt. Es stimmt: Wer ein Business gründet, setzt sich verschiedenen Herausforderungen, Belastungen und Risiken aus. Es ist durchaus denkbar, mehr und härter arbeiten zu müssen (gerade in der Anfangszeit). Auch Scheitern ist ein Ausgang der Situation, mit der jeder Existenzgründer rechnen muss. Doch bedeutet das automatisch, dass eine Selbstständigkeit nur negative Aspekte mit sich bringt? Selbstverständlich nicht! Wer mit dem Gedanken spielt, ein Unternehmen zu gründen, sollte sich stets vor Augen führen, dass diese Entscheidung auch viele Vorteile und Entlastungen mit sich bringt. Es kommt immer auf die Einstellung an, die Sie zur Selbstständigkeit haben. Wer damit nur Horrorgeschichten verbindet, wird natürlich Probleme damit haben, den Schritt zu gehen. Wer der Sache jedoch offen und positiv gegenüber steht, wird schnell merken, dass es gar nicht mal so übel ist, seine berufliche Existenz selbst in die Hand genommen zu haben.
Tipp: Immer wieder wird behauptet, man müsse zum Gründer geboren sein. Das ist Unsinn. Sie können durchaus lernen, ein erfolgreicher Entrepreneur zu werden. Auch hier gilt: Alles eine Frage der Einstellung.
Interessanterweise sind es häufig Selbstständige, die andere ausdrücklich vor der Selbstständigkeit warnen. „Bist du verrückt?! Behalte lieber deinen sicheren Job!“ – „Mit Mitte 40 und zwei Kindern noch gründen? Na, du hast ja Vorstellungen.“ – „Ich an deiner Stelle würde mir das mit der Selbstständigkeit noch einmal überlegen. Seitdem ich die Firma habe, [… hier irgendeine negative Geschichte einfügen …]“ Es versteht sich von selbst, dass ein Feedback dieser Art alles andere als förderlich ist. Es scheint fast so, als würden manche Selbstständige versuchen, ihr eigenes Scheitern auf andere zu projizieren. Was in den meisten Fällen als guter Rat gemeint ist, führt jedoch leider schnell zu Verunsicherung und Infragestellung der eignen Überzeugung. Es wird allerhöchste Zeit, das allgemeine Bild der Selbstständigkeit zu überarbeiten und diese nicht länger als Schreckgespenst zu betrachten. Das klappt in jungen Startups derzeit schon besser als in traditionellen (Handwerks-)Betrieben.
Ein Unternehmen zu gründen, ist zweifelsfrei ein großer Schritt, der gut durchdacht sein will. Dennoch dürfen Sie niemals Ihre Risikobereitschaft verlieren. Denken Sie immer daran: „Habe niemals Angst, etwas Neues auszuprobieren. Bedenke: Die Arche wurde von Amateuren gebaut, die Titanic von Profis.“ (unbekannt)
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